Die Haltungs-Avantgarde: Was IT-Fachkräfte zum Jobwechsel bewegt.
Shownotes
Sind die Fachkräfte aus dem IT-Bereich dem Rest der Menschheit in Sachen Diversity, Inklusion und sozialem Umgang etwa deutlich voraus? Oder wie lässt es sich erklären, dass ein Großteil der "Nerds" sich deutlich für das Gendern ausspricht und die Unterlassung davon als Problem wahrnimmt, obwohl die Gruppe zu mehr als 80 % aus männlichen Arbeitnehmern besteht?
In dieser Folge diskutieren Jörg Schleburg und Dr. Simon Mamerow über die Hauptgründe für einen Jobwechsel unter digitalen Fachkräften, die Bedeutung des Gehalts in dieser Zielgruppe und was Erfolg konkret bedeutet.
ZU HÖREN: Jörg Schleburg & Dr. Simon Mamerow
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SPRECHERIN Franziska Ball www.franziskaball.de
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scharf & sinnig Folge 17 – ITler
ITler werden intensiv umworben auf dem Arbeitsmarkt. Wie tickt diese Zielgruppe, welche Anforderungen haben sie an Arbeitgeber und was bewegt sie zum Jobwechsel? In dieser Folge erhalten Sie datenbasierte Insights über IT-Fachkräfte und erfahren, wie und wo Sie diese Talente erreichen können.
Herzlich willkommen bei scharf & sinnig. Entscheidendes für Entscheider mit Jörg Schleburg und Dr. Simon Mamerow.
Jörg: In der heutigen Episode sprechen wir über die verzweifelt gesuchten und stark umworbenen IT-Fachkräfte. Was veranlasst diese Zielgruppe zum Jobwechsel? Was bedeutet Erfolg für sie und welche Rolle spielt dabei wohl das Gehalt? Wir werden es herausfinden. Jetzt und hier bei scharf & sinnig.
Simon: Einen wunderschönen guten Abend, Jörg.
Jörg: Guten Abend, Simon. Wie geht's?
Jörg: Simon. Mir geht's super. Ich freue mich, dass wir uns mal wieder zusammengefunden haben. Das führt uns gleich in unsere heutige Episode. Denn wir hatten diesmal Probleme mit der IT. Wir haben leider keinen eigenen ITler, hätten die letzten sieben Tage aber einen gebraucht. Das geht vielen Unternehmen so. Das war schon der Übergang. In unserem Fall haben wir es selbst gelöst. Viele Probleme kann man aber nicht selbst lösen.
Jörg: Sehe ich auch so. Ich würde gerne ein bisschen spoilern. Worüber sprechen wir? Wir sprechen über die Top sieben Gründe für einen Jobwechsel. Wir sprechen über die Gehaltssteigerung von ITlern beim Jobwechsel. Wir sprechen darüber, was für ITler beruflicher Erfolg bedeutet. Wir sprechen auch darüber, wie die Arbeitgeberansprache geht. Also über welche Kanäle erreicht man diese Talente am besten? Und es gibt noch einen Punkt, auf den möchte ich später näher eingehen. So viel vorweg: Er ist sehr spannend. Doch jetzt steigen wir ein mit dem Thema “Sieben Gründe für einen Jobwechsel”. Simon, leg los.
Simon: Bei den Gründen für einen Jobwechsel greifen wir auf Daten aus dem HR-Monitor von Trendence zurück.
Jörg: Was ist Trendence?
Simon: Trendence ist ein Marktforschungs- und Beratungsinstitut, das sich auf Personalmarketing und Employer Branding spezialisiert hat. Es verfügt über einen riesigen Datenschatz. Wenn man sich für Personal interessiert, kann man die Daten einsehen. Man stößt auf interessante Dinge und auch Antworten und findet Fragen, die man vielleicht noch gar nicht hatte, die man sich aber stellen könnte.
Jörg: Wie erheben die Daten?
Jörg: Das ist Betriebsgeheimnis, Trendence war ja mein ehemaliger Arbeitgeber, acht Jahre lang insgesamt. Fakt ist, es sind Primär-Daten. Das heißt, es sind Daten, die normalerweise über Umfragen erhoben werden. Manchmal Beobachtungen. Es werden Umfragen gestartet und Zeitreihen gezogen, deswegen ist dieser Datensatz auch so wertvoll, denn er ist mittlerweile über 20 Jahre alt.
Jörg: Jörg. Also die sieben Gründe für einen Jobwechsel?
Simon: In der IT haben wir manchmal eine Differenz zwischen Männern und Frauen, manchmal auch nicht. Zum Beispiel beim Thema Gehalt. Das interessiert beide Seiten sehr stark, ist aber tatsächlich nur der zweitwichtigste Punkt. Bei Männern ist der wichtigste Punkt die bessere Work-Life-Balance, die Frauen sehen als wichtigsten Punkt weniger Arbeitsbelastung. Nun könnte man sagen: Das ist doch das Gleiche? Nicht unbedingt. Darauf gehen wir später noch ein. Es geht bei beiden also um die Arbeitssituation, um die Zeit und um die Belastung, die damit einhergeht. Wichtige Punkte sind noch ein besseres Team und dann kommt tatsächlich auch schon eine kürzere Entfernung zur Arbeit, eine bessere Unternehmenskultur und Homeoffice bzw. generell mehr Flexibilität im Job.
Jörg: Ich stelle jetzt mal eine steile These auf: Wenn ein besseres Team ein Punkt ist, können wir dann davon ausgehen, dass es gar nicht so wahnsinnig viele gute Teams gibt? Also, dass man vielleicht kein gemeinsames Ziel, kein gemeinsames Mindset, keine gemeinsamen Werte hat. Kann das sein?
Simon: Da könnte was dran sein. Vor allem, wenn man bedenkt, dass laut der gleichen Quelle mehr als die Hälfte der Befragten bzw. der relevanten Gruppe in den letzten sechs Monaten den Job gewechselt haben. Das spricht ja schon dafür, dass es ein Grund gab, den Job zu wechseln. Ein besseres Team ist offensichtlich ein Riesen Thema.
Jörg: Das ist ein krasser Wert. Mehr als die Hälfte haben im letzten halben Jahr den Job gewechselt. Es gibt also ein Segment in diesem Segment. Man findet freie Kräfte ja ohnehin nicht, außer vielleicht Absolventen. Dann sind ja nur noch 50 % zu haben, weil die 50 %, die gewechselt haben, die werden jetzt erstmal ein paar Monate da bleiben, sofern es gut ist.
Simon: Hier handelt es sich um Young Professionals, die Akademiker sind und schon die ersten Jahre Erfahrung hinter sich haben. Also auch ein sehr seltenes, gutes Personal. Wenn davon die Hälfte wanderungsfreudig ist, sollte man zumindest einen Blick drauf haben.
Jörg: Die Chance, die man sehen kann, liegt darin, dass sie gerne wandern. Abwerben ist also durchaus möglich. Es bleibt einem ja sowieso nichts anderes übrig, wenn es keine freien Kräfte gibt. Ich fasse nochmal kurz zusammen: bessere Work-Life-Balance bieten, mehr Gehalt und ein besseres Team.
Simon: Genau. Was wir natürlich nicht sehen, wo sie herkommen. Das wissen wir nicht. Das heißt, wir haben einen relativ starken Braindrain, raus aus dem Start-up-Segment, rein in die eher klassischen Unternehmen. Start-ups haben ja ein bisschen geschwächelt. Diese massive Erfolgsgeschichte ist zumindest gestoppt. Auch wir haben bei einigen New Companies gemerkt, wie viele Personalwechsel da stattgefunden haben. Das waren zwar keine ITler, aber wenn ich überlege, wie viele Personen zu anderen Unternehmen gewechselt sind, die früher in diesem Segment aktiv waren, ist es schon nennenswert viel. Wenn man überlegt, wie viele Stellen abgebaut wurden, auch bei Zalando und bei anderen großen Playern aus dem Bereich der New Economy, die sind ja alle nicht arbeitslos. Also die meisten sind woanders hingewandert. Die Frage, ob die bald wieder wandern wollen, ist nur schwer zu beantworten. Es kann auch etwas mit der Krise und mit der Corona Situation zu tun haben.
Simon: Jörg. Genau. Zweiter Punkt Gehalt. Wie hoch muss denn die Steigerung sein?
Simon: Beim Jobwechsel kann man sagen, ist die durchschnittliche Steigerung irgendwas zwischen 10 und 20 %. Ganz genau kann man das nicht sagen, aber es sind auf jeden Fall mehr als fünf gewesen. Nicht unfassbare Steigerungen, aber auf jeden Fall schon spürbar.
Jörg: Ja, spannender Wert. Gut zu wissen, dass das Thema Gehalt auf jeden Fall eine große Rolle spielt. Manche versuchen ja, über Benefits etwas auszugleichen, aber das wird zukünftig auch nicht ausreichen. Du wirst als vielleicht kleines oder mittelständisches Unternehmen den Wettstreit mit den großen IT- oder Beratungshäusern nie gewinnen.
Simon: Nein. Aber du musst natürlich schon schauen: Was gibt es am Markt und ist man da noch vergleichbar? Muss ich vielleicht eine Schippe drauflegen, damit ich überhaupt interessant erscheine?
Jörg: Ja, das ist ein guter Punkt, den du ansprichst. Es gibt natürlich ein paar Arbeitgeber, gerade im Beratungs-Segment mit IT oder im Fintech-Bereich, da wird extrem gut bezahlt, gar keine Frage. Das ist für viele Unternehmen gar nicht abbildbar. Aber das ist auch ein sehr spezielles Klientel, was dem massiven Stress, der da herrscht, auf Dauer gewachsen ist. Das sind eher typische High Potentials und High Potentials sind per Definition ja eigentlich maximal die obersten 5 % überhaupt der Arbeitnehmerschaft. Es gibt somit auch 95 andere Prozent und die sind nicht bereit, nachvollziehbarer weise sich das anzutun, was man für 100, 150 oder 200.000 € im Jahr tun muss.
Simon: Na klar. Geschenkt kriegt man sie nicht. Es gibt diese Gehälter, aber sie sind auch hart erlitten. Das muss man so sagen.
Jörg: Wir haben ja noch weitere spannende Fakten. Ein nächster Punkt ist beruflicher Erfolg. Was bedeutet beruflicher Erfolg für diese Zielgruppe?
Simon: Ja, das ist tatsächlich sehr spannend. Der oberste Punkt ist tatsächlich weiterhin, ein hohes Einkommen zu erzielen. Er ist zwar weniger relevant als früher, hat also abgenommen, aber noch stark. Was auch abgenommen hat, ist der Aspekt Spaß an der Arbeit. Das war immer einer der wichtigsten Punkte und ist inzwischen zurückgegangen. Den Verantwortungsbereich ausbauen, Experte im Fachgebiet sein, das sind ganz wichtige Themen. Ebenso die Vorstellung, etwas Sinnvolles zu schaffen. Es geht insgesamt schon mehr in den Bereich: Wer bin ich, wo finde ich mich wieder? Was ist mein Job und wie kann ich mich entwickeln?
Jörg: Ich würde gerne auf den Punkt “Experte im Fachgebiet sein” eingehen. Bedeutet das einfach, dass man für sich selbst weiß, man ist Experte, man wird besser und professioneller oder bedeutet es auch, als Experte Ansehen zu gewinnen, also als Experte in der Branche gesehen zu werden?
Simon: Es kann schon sein, dass man sagt, ich lege Wert darauf, dass ich in meinem direkten Umfeld so wahrgenommen werde. Aber es geht eher darum, dass man bei den neuesten Entwicklungen mit dabei ist. Und die sind natürlich im IT-Segment sehr, sehr schnell. Man sagt immer, es gibt Innovationszyklen. Wie lange braucht etwas, um überholt zu sein? Das ist diese boolesche Betrachtung, wo man sich ansieht, wie lange gilt etwas und wann ist etwas Neues quasi da? Das ist im IT-Segment unfassbar schnell. Wenn man im IT-Segment 4 bis 5 Jahre hinterherhinkt, dann sind das Lichtjahre. Das ist Steinzeit. Ein Unterschied zwischen Steinzeit und Zukunft. Während das beispielsweise in Branchen wie der Lebensmittelindustrie völlig in Ordnung ist. Wenn man da also aktiv sein will und auch verstehen will, was gerade abgeht, dann muss man Experte sein. Wir sehen es ja tatsächlich auch gerade im politischen Spektrum, wo es darum geht, wer das Know-how hat. Wenn das nicht weitergegeben wird, wenn die Experten nicht da sind, dann sind bestimmte Dinge nicht baubar. Das geht einfach nicht. Man hat nicht das Know-how, man ist also draußen.
Jörg: Also das heißt, wir reden hier über Weiterbildung.
Simon: Wir reden über Weiterbildung und persönliche Entwicklung und eben auch den Zugang zu Intelligenz-Ressourcen. Eben auch im Sinne von Geld. Denn die Weiterentwicklung im IT-Segment kostet Geld. Die Maschinen, die man mitunter dafür braucht, sind nicht einfach so da. Ich mache meine Garage auf und werde Milliardär – das geht nicht mehr so einfach.
Jörg: Man braucht also richtiges Equipment, das auf dem neuesten Stand ist. Und in puncto Weiterbildung, das kannst du auch nicht irgendwie reduzieren. Oder sagen: Du hast drei weitere Ideen im Jahr frei. Da kommt vielleicht eine Konferenz, da ist vielleicht ein wichtiges Meeting – man könnte über ein freies Weiterbildungsbudget nachdenken, das dann eingesetzt werden kann, wie es halt gerade notwendig ist.
Simon: Ich zitiere immer gerne einen ehemaligen Kunden, Mitarbeitender in einer der größten bundesrelevanten Sicherheitsanstalten. Der sagte ganz klar: “Wir wissen, dass wir die Gehälter nicht bezahlen können. Dafür haben wir hier die geile Scheiße stehen.” Originalton. “Das Equipment, was wir hier haben, findest du nirgendwo. Das heißt, wenn du vorne mit dabei sein willst, dann herzlich willkommen. Dann musst du halt damit leben, dass du etwas weniger verdienst als eventuell als Experte bei der Allianz oder bei anderen DAX 30 Konzernen. Aber dafür kannst du hier Dinge tun, die kannst du woanders nicht machen, weil das Equipment hier kann sich keiner leisten.”
Da kämpfst du dann natürlich im wahrsten Sinne des Wortes auf oberstem Niveau. Das ist eine Weltliga und das ist für viele, auch wenn es komisch klingt, auf jeden Fall ein Ansporn zu sagen: Ich gucke mir das mal an! Ich erinnere mich an eine sehr gute Freundin von mir, die im Big Data Bereich aktiv ist. Für sie war das auch ein Thema. Ihre Frage war, ob sie in den nachrichtendienstlichen Bereich oder als leitende Kraft in die Industrie gehen soll. Am Ende ist sie in die Industrie, hat sich also für’s Geld entschieden.
Jörg: In dem Bereich herrscht ja Vollbeschäftigung, das haben wir gerade schon erwähnt, auch wenn es natürlich Start-ups gibt, die ausstellen oder vielleicht auch ganz dicht machen. Wir müssen abwerben, das haben wir gerade auch schon festgestellt. Als nächstes hätten wir dann die Faktoren der Arbeitgeberwahl. Was gibt bei einem Wechsel den Ausschlag?
Simon: Da muss man ganz klar sagen: Gehalt – wir kommen nicht drum herum. Aber: Was SAP oder entsprechende Beratungen zahlen, haben Start-ups nicht bezahlt und sie hatten trotzdem lange Zeit kein Nachwuchsproblem. Insofern ist es das nicht alleine. Aber man kann es eben nicht wegdiskutieren.
Dann auch wieder Wertschätzung der Mitarbeiter: ein Riesenthema. Selbständiges Arbeiten ist ein großes Thema und die Weiterbildungsmöglichkeiten. Danach kommt sowas wie genug Zeit. Neben der Arbeit ist das auch relevant, keine Frage. Aber man merkt, dass es unterschiedliche Gruppen der ITler gibt. Natürlich ist der Business Model Berater ein ganz anderer als ein technischer Informatiker, der selber baut. Wenn man es vergleichen wollen würde, kann man sagen, dass die meisten doch so etwas wie Tastatur-Ingenieure sind. Die meisten bauen gerne Dinge und mögen es, was sie bauen.
Jörg: Wir haben einen Punkt, den darf man nicht unterschlagen. Der ist auch relativ weit vorne im Ranking. Das ist die Sicherheit der Anstellung. Ja, und hier kann auch wieder der Mittelstand punkten, also das, was vielleicht früher nicht ganz so wichtig war, vor den ganzen Krisen, die wir jetzt schon alle durchgemacht haben.
Simon: Der Mittelstand hat eigentlich zwei große Punkte. Einerseits hat er genau diesen Punkt der Sicherheit und der Überschaubarkeit, also dass man nicht mit plötzlicher Entlassung rechnen muss – Stichwort Twitter. In Amerika nimmt man das vielleicht entspannter an, aber in Kontinentaleuropa macht das keinen guten Eindruck.
Das ist der eine Punkt. Und der andere Punkt diesbezüglich ist, dass die meisten Mittelständler irgendetwas machen, was man anfassen kann. Ich sprach gerade schon über die Tastaturingenieure. Es gibt durchaus das IT-Segment, was völlig losgelöst von jeglicher Anfassbarkeit und auch der realen Welt ist. Nehmen wir beispielsweise den klassischen Data Analyst im Sinne von: Ich suche mir Muster und gucke, wo Muster überhaupt funktionieren. Zum Beispiel im Versicherungs-Segment. Da versuche ich, Strukturen zu finden. Da ist nicht so wichtig, was die Realität macht, sondern ich finde quasi das System. Das sind aber sehr wenige. Die meisten mögen es, irgendetwas zu tun, wo sie auch sehen, was dabei rauskommt. Schon Studierende sagen, dass sie Probleme mit der Motivation haben, dass sie gar nicht wissen, warum sie das machen. Die machen dann nebenbei sowas wie Gartenarbeit, wo es etwas zum Anfassen gibt.
Jörg: Wenn du weißt, Gehalt ist an oberster Stelle, dann mach's transparent. Das erleichtert ja schon mal einiges und du wirst dadurch auch mehr Bewerbungen erhalten, einfach nur, weil du offen damit umgehst. Sicherheit ist ein Thema. Alle reden über Sicherheit, aber man soll es dann auch tun. Dann sind wir bei Wertschätzung und genügend Zeit neben der Arbeit. Das ist schon eine halbe Struktur für die Karrierepage oder für Stellenanzeigen.
Simon: So einfach ist es dann doch nicht. Wenn du nicht authentisch kommunizierst und das, was du versprichst, nicht wirklich auf die Straße bringst, dann läufst du bei der IT ganz schnell in eine ganz große Falle.
Jörg: Ja, absolut. Das Banalste und Schlechteste wäre deswegen jetzt einfach Wertschätzung irgendwo hinzuschreiben. Also wenn es keine Geschichten dahinter gibt, keine Beweise, dann bringt es auch nichts. Ganz im Gegenteil. Das sollte die Voraussetzung sein.
Jörg: Was sind die Gründe, warum sie wechseln würden, oder mit welchen Themen kann ich sie ansprechen? Welche Kanäle gibt es noch? Da gibt es auch ein paar Daten dazu, vielleicht machst du da mal drauf eingehen.
Simon: Da sind wir natürlich mittlerweile auch in dem Segment bei Social Media stärker als früher. Was ich total spannend finde: es gibt auch immer noch E-Mail. Und 12 % mögen tatsächlich die Briefbewerbung im IT-Segment. Interessant ist, dass es trotzdem auch im Social Media Bereich nur 50 % sind. Also es ist gar nicht so, dass man sagen kann: Hey, ist alles voll digital. Das ist ein Irrtum, der bei ganz, ganz vielen Zielgruppen immer mal wieder meines Erachtens schiefläuft. Ich denke, ich habe eine One Click Bewerbung und damit ist es getan. Ich bin State of the Art, also kann mir gar nichts mehr passieren. Das stimmt eben nicht. Es gibt immer noch haufenweise Leute, die ein PDF per Mail schicken wollen oder die vielleicht sogar eine ausgedruckte Mail per Brief schicken wollen. Selbst das gibt es. Eins kann man auf jeden Fall sagen: Das Falscheste, was man machen kann, ist so ein Bewerber-Tool, wo man sich erst mal zwei Stunden durch klicken muss, wie vor zehn Jahren.
Jörg: Was ja auch noch spannend finde, das sind die Headhunter. Die liegen so bei 19,2 Prozent, haben deutlich abgenommen. Nichts gegen Headhunter, ganz im Gegenteil, das ist eine legitime Maßnahme, nur denke ich, da geht es halt auch sehr, sehr stark um das Wie.
Simon: Ja, es ist leider auch so, dass es so überhand genommen hat, dass es auf dem Niveau nervt.
Jörg: Weil es einfach viel zu viele Anfragen sind, viel zu viele. Und dann bei dieser Lautstärke … da gehen halt auch die Leisen unter. Oder die, die es vielleicht ernst meinen oder richtig gut sind.
Simon: Genau. Also ich bin ja mal gespannt, da habe ich noch keine Einblicke. Ich betreue derzeit tatsächlich eine Masterarbeit zu dem Thema. Ich bin mal gespannt, was dabei rauskommt. Extrem viele sagen, dass sie Anfragen ohne Ende bekommen, die teilweise nicht qualifiziert sind. Ich erinnere mich an eine Auswertung, wo auch die Frage drin stand: Mit wem möchten Sie denn sprechen? Da ist der Headhunter eigentlich fast immer unten. Sobald Abteilungsleiter und Geschäftsführung da wären, würden die sofort Ja sagen, oder mit der Fachabteilung.
Jörg: Das ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, den du jetzt noch ansprichst. Lieber direkt jemanden aus der Fachabteilung mit dem Bewerber oder dem Talent sprechen lassen als den Umweg über die HR nehmen. Ich erinnere mich, dass wir selbst auf Messen dieses Feedback bekommen haben.
Simon: Jetzt hast du nochmal eine Brücke geschlagen. Messen ist eins über Brief, also der vorletzte Punkt mit 13,7%. Das heißt nicht wahnsinnig relevant, 1,7 % stärker als Brief. Man kann davon ausgehen, dass man sich vielleicht lieber auf etwas anderes konzentrieren sollte.
Simon: Wir dürfen nicht vergessen, es geht hier um akademische Professionals mit 2 bis 5 Jahren Berufserfahrung in dem Segment. Die sind normalerweise auch nicht auf Messen. Absolventen eher, aber die gehen natürlich auf eine Jobmesse. Professionals kriegt man über klassische Karrieremessen so gut wie nicht.
Jörg: Da muss man auch differenzieren. Messe könnte ja auch eine Gamescom sein.
Simon: Da wäre was, ja, ganz andere Nummer. Dann wären wir wahrscheinlich schon wieder relativ weit oben.
Jörg: Wahrscheinlich. Jetzt würde ich langsam zu unserem letzten Punkt kommen, den wir vorher nicht so genau benannt haben. Simon, du darfst gerne.
Simon: Ja, total spannend ist, dass die Zielgruppe sehr, sehr für das Gendern ist und auch für quasi Gendergerechtigkeit. Warum ist das spannend? Weil normalerweise in Gruppen, in denen weniger Frauen vertreten sind, das Thema weniger interessiert. 80 % der ITler aber finden, dass das wichtig ist und das ist mal wirklich sehr spannend an der Stelle. Immerhin besteht diese Gruppe immer noch überwiegend aus Männern. Warum ist das wohl so? Weil die von der Haltung her eine Avantgarde darstellen. Die wollen was verändern und die sind auch relativ vorne mit dabei. So was haben wir immer wieder bei bestimmten Zielgruppen, aber diese Information hat mich doch sehr überrascht.
Jörg: Was mich jetzt interessiert: Geht es dabei tatsächlich um die Kommunikation oder kann man das noch weiter fassen und sagen: Gendern bedeutet eben auch Diversität, Inklusion, gleiche Berufschancen, Respekt.
Simon: Um ganz tief rein zu gehen, müsste man natürlich eine Fokusgruppe machen oder so, da haben wir jetzt nichts vorliegen. Aber nur um die Sternchen geht es garantiert nicht. Viele der ITler, die eine klassische IT Ausbildung haben, haben relativ viel Kommunikation nebenbei laufen. Kommunikation ist eine Grundlage der IT. Anders geht es ja nicht. Das heißt, diese Kommunikations-Inklusionsgeschichte ist da sowieso schon mal klarer, als das bei manchen anderen Zielgruppen der Fall ist. Der nächste Punkt ist tatsächlich, dass dieser inklusive Gedanke in der IT schon immer eine Rolle spielte. Sehen wir uns mal an, wie man sich den klassischen ITler vorstellt. Entweder es kommt so etwas wie Bill Gates oder Steve Jobs oder – ich will jetzt nicht plakativ werden – irgendwelche Leute, die sonst keine Freunde haben und irgendwo im Keller sitzen. Denk mal an Kinofilme: Wie oft ist es der Super ITler, der meinetwegen im Rollstuhl sitzt oder weiß ich was für Allergien hat, oder adipös oder so was ist, und trotzdem super. Auch beispielsweise Leute, die auf einmal Millionäre werden können und alles haben können, was sie anders nie bekommen hätten. Da gibt es Sendungen wie Beauty and the Nerd. Und trotzdem hat der ITler ein gutes Selbstbewusstsein, eine Karriere zu haben und einer der Erfolgreichen zu sein und auch hohes Ansehen zu haben.
Jörg: Also sind wir eigentlich wieder bei dem Thema Überzeugung bzw Haltung. Es kann dieses Sternchen sein, aber dahinter muss halt auch Haltung stehen.
Simon: In dem Bereich definitiv. Da ist mit Sicherheit kein Greenwashing oder so. Bestimmte politische, sagen wir mal unethische, Verhaltensweisen werden in der IT-Welt relativ hart abgestraft.
Jörg: So, jetzt sind wir natürlich alle neugierig: Was waren das für Skandale, was ist da passiert?
Simon: Da müsste ich jetzt weit ausholen. Es ist tatsächlich so, dass viele unterschätzen, was mittlerweile Activision, Microsoft und Blizzard Entertainment für Konzerne sind, was da für Umsätze dahinter sind. Da kann sich manche Kinofirma quasi hinten anstellen. Da wurde sehr, sehr viel Geld verdient und umgesetzt. Und da gab es sehr starke Skandale im Bereich des Sexismus und der sexuellen Belästigungen. Da ist die Presse voll mit, muss man nur googlen. Es ist aber auch so gewesen, dass einige Gamer dieses Verhalten hart abgestraft haben. Es gab beispielsweise massive Kündigungen bei Abonnements, wovon einige Unternehmen leben.
Jörg: Danke für die Einblicke. Hatte ich tatsächlich überhaupt nicht mitbekommen.
Simon: Tut man von außen oft nicht. Wenn man damit gar nichts zu tun hat, dann kriegt man das nicht so mit. Über Themen wie Sexismus wird dort viel und heftig diskutiert.
Jörg: Ich hätte eine Bitte an unsere Hörer*Innen: Ich würde mich freuen, wenn wir Feedback von euch bekommen würden. Oder vielleicht habt ihr Ideen für Themen, die euch interessieren. Zum Beispiel, dass wir uns vielleicht mal andere Berufe anschauen. Wir sind offen für Wünsche und würden gerne dann auch mit euch darüber sprechen, was euch da im Speziellen interessiert. Ansonsten hat es wie immer sehr viel Spaß gemacht.
Simon: Mir auch!
Jörg: Vielen Dank. Noch einen schönen Abend allen.
Jörg: Diese Episode wurde Ihnen präsentiert von der Agentur von Vorteil – Employer Branding für Deutschlands beste Arbeitgeber. Mehr über uns finden Sie unter www.vonvorteil.de
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